Das beste Mittel ist eine faire, korrekte Ausbildung

Das beste Mittel ist eine faire, korrekte Ausbildung

Das WWW bietet Platz für allerlei Neuheiten und mehr oder weniger hilfreiche Produkte, aber auch Produkte, die wirklich kein Mensch braucht (oder brauchen sollte) finden hier offenbar einen Platz und auch einen Käufer. Da wäre zum Beispiel der „Sporenschoner“ (bei dessen Namen man sich fragt, was genau geschont werden soll …) in Form eines Neoprenbauchgurtes der ein durch Sporenstiche verletztes Pferd früher wieder einsatzfähig machen soll oder die unter Strom gesetzte Matte „Quiet Stable“, die den Pferden das Schlagen gegen die Boxenwände abgewöhnen sollen. Beide Produkte stammen aus dem Ausland, so dass man sich hierzulande der Illusion hingeben kann, diese Produkte fänden hier ohnehin keinen Abnehmer. Wer allerdings der Meinung ist, dass nicht auch deutsche Firmen auf die Idee kommen, Produkte zu entwickeln, die wirklich kein Mensch braucht und die einer fairen Reiterei mit Hohn und Spott gegenüber stehen, der täuscht sich.

Den sprichwörtlichen „Vogel abgeschossen“ hat nun die Firma Effol / Schweizer Effax GmbH, welche gerade die Werbetrommel für ihr neuestes Pflegeprodukt rührt: Maul Butter. Dieses „revolutionäre“ Pflegeprodukt, welches in Zusammenarbeit mit Tierärzten und Reitern entwickelt wurde, soll die Zufriedenheit des Pferdes und die Reitqualität steigern. Es soll die Akzeptanz des Gebisses im Pferdemaul erhalten bzw. steigern, so zu größtmöglicher Zufriedenheit des Pferdes beitragen und zudem die Wundheilung fördern. Das ist sicher für viele ein gutes Kaufargument, denn bei nicht wenigen Reitern fangen die Probleme schon genau hier an: im Pferdemaul. Wie soll also ein Pflegeprodukt helfen, dieses Problem zu beheben? Auf der Internetseite des Herstellers wird die Anwendung folgendermaßen beschrieben:

„Effol Maul-Butter vor und nach dem Reiten großzügig im Maul-Bereich verteilen und einmassieren. Bei Bedarf auf das Gebiss auftragen, um die Gefahr vor dem Einklemmen zu verhindern und die Gebiss-Akzeptanz zu erhöhen.“

Beginnen wir also mal nachzuhaken… Abgesehen davon, dass ein von vorneherein korrekt ausgebildetes Pferd, so denn es denn mit Gebiss geritten werden soll, in jedem Fall so auszubilden ist, das die Akzeptanz des Gebisses keine Schwierigkeit bereiten sollte, frage ich mich, wie es dazu kommen kann, das die Gefahr des „Einklemmens“ überhaupt in Erwägung gezogen werden muss? Eine passende Ausrüstung sollte wohl für jeden Reiter selbstverständlich sein und nicht durch Pflegeprodukte kompensiert werden müssen.

Schauen wir uns nun die weitere Beschreibung des Produktes an. Da die Detailbeschreibung der „Maul Butter“ wirklich äußerst kreativ ist, möchte ich euch auch diese nicht vorenthalten.

Zitat von der Internetseite des Herstellers Effol, www.effol.de vom 06.02.2013

„Seit jeher beschäftigen sich Reiter mit der Problematik um die Gebiss-Akzeptanz ihres Pferdes. Akzeptiert das Pferd das Gebiss und nimmt es gut an, spricht man sprichwörtlich von einem „butterweichen“ Pferdemaul. Doch häufig führt bereits ein geringer Grund zu einer Ablehnung des Gebisses, sodass sich das Pferd sperrt und unzufrieden ist. Diese ablehnende Haltung kann auf verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht werden, wie z.B. durch Fehlhaltungen der Zunge oder Verspannungen im Hals-Kopf-Bereich.

Die neu entwickelte Effol Maul-Butter ist ideal zum Erhalt oder zur Steigerung der Zufriedenheit des Pferdes. Effol Maul-Butter gewährleistet eine Gleitfähigkeit des Gebisses im Pferdemaul. Dadurch wird dem Einschnüren der Maulwinkel durch den Sperrriemen sowie dem Einschnüren der Zunge durch das Gebiss vorgebeugt.  Reibungen zwischen Gebiss und Maul sowie daraus resultierende Druckstellen werden vermieden, da sich das Gebiss frei bewegen kann.

Der reichhaltige Wirkstoff Allantoin sorgt für einen hohen Pflegeanteil, der den Maulbereich butterweich hält. Verhärtungen und Risse in den Maulwinkeln sowie trockene, verhornte Hautstellen werden verhindert. Der natürliche Inhaltsstoff Peru-Balsam unterstützt und fördert die Wundheilung bei eingerissenen Maulwinkeln und Hautverletzungen im Maulbereich. Das frische Apfel-Aroma kann animierend auf die Kautätigkeit des Pferdes wirken.“

Spätestens jetzt weiß auch der letzte, wo dieses Produkt Absatz findet, denn einen Markt gibt es zweifelsohne hierfür. Wer sich auf den Turnier- und Abreiteplätzen der Turnierszene auch nur kurz umsieht (selbst wenn er beide Hände vor die Augen legt …), der sieht, wie so ein „geringer Grund“ zur Ablehnung des Gebisses führt und selbstverständlich zu Unzufriedenheit des Pferdes führt. Von Seiten des Herstellers jedoch findet sich keinerlei Angabe darüber, wie so ein „geringer Grund“ aussehen kann. Im weiteren Verlauf des Textes macht es dieser nicht besser, in dem er weitere Gründe für den Einsatz des Produktes angibt: Einschnüren der Maulwinkel durch Sperrriemen und Einschnüren der Zunge durch das Gebiss? Allmählich zweifle ich nicht nur am Sachverstand der Firma, sondern Frage mich auch, wer diesen Werbetext freigegeben hat. Das kann doch nicht wirklich ernst gemeint sein? Solcherlei Fauxpas kennt man sonst nur von Douglas: „Come in and find out“ Im letzten Absatz treibt man es nun auf die Spitze und wirbt damit, dass die Maulwinkel geschmeidiger werden und der Bildung von „Hornhaut“ vorgebeugt werde. Ich bin fassungslos und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Vor dem Schluss-Resümee, stoße ich noch auf eine Statistikangabe des Herstellers, die die Auswertung der Produkttester abbildet und aus der ich den entscheidenden Satz zitieren möchte:

„ Nahezu alle befragten Reiter bestätigen die Wundheilung bei angegriffenen Maul-Winkeln.“

Kaum zu glauben, was dies im Umkehrschluss heißt, denn um dieser Aussage gerecht zu werden, muss man davon ausgehen, dass „nahezu alle befragten Reiter“ ein Problem mit „angegriffenen Maul-Winkeln“ haben.

Liebe Geschäftsführung, Mitarbeiter und Produktentwickler der Firma Effol, was um alles in der Welt haben Sie sich nur hierbei gedacht?

Sogar die FN verschließt nicht mehr die Augen und hat verstanden, dass man gegen die mangelnde Sachkenntnis, dem Falschbildnis der Reiterei, der Gewalt, dem Zwang und insbesondere dem Reiten mit „harten Händen“ vor dem Hintergrund der Rollkur-Thematik angehen muss und nun fallen Sie der gesamten, engagierten und an einer Aufklärung interessierten Reiterwelt derart in den Rücken? Der Reitsport und insbesondere auch das Reiten mit Gebiss geraten zunehmend in Verruf und Sie entwickeln ein Produkt was eine harte Hand, eine unfaire Reitweise und Gewalt gegenüber dem Pferd derart herabwertet und stellenweise sogar legitimiert? Stattdessen vergesellschaften Sie verletzte Mundwinkel mir einer korrekten Ausbildung des Pferdes und stellen es wie eine Selstverständlichkeit im Rahmen der Reitere dar. Sie suggerieren dem „kundigen“ Reiter, dass der Unwilligkeit und mangelnden Akzeptanz des Pferdes gegenüber dem Gebiss und der Reiterhand durch den Einsatz dieses neuartigen Pflegeproduktes Abhilfe geschaffen werden kann und sich die zentrale Frage, mit der sich jahrhundertelang alte Meister beschäftigt haben, so einfach beantworten lässt? Mir fehlen die Worte – und das kommt nicht häufig vor!

Lesen Sie sich ihren Leitspruch nochmal ganz genau durch:

„Freundschaft muss man pflegen. Das ist nicht nur eine bewährte Lebensweisheit, sondern auch unser Verständnis von der Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Freundschaft bedeutet für uns Verantwortung, Fürsorge, Vertrauen und Wertschätzung. Effol stellt die Freundschaft zum Pferd in den Mittelpunkt, denn pflegen ist keine lästige Pflicht, sondern ein gern ausgeübter Freundschaftsdienst.“

Das ist ein lobenswerter und gut klingender Leitsatz, dem Sie mit einer solchen Produktpalette in keinster Weise gerecht werden. Im Gegenteil, vor dieser Kulisse wirkt selbst das Motto „Freundschaft muss man pflegen“ zynisch.

Wenn Cavallo ihnen nicht sowieso die „Mistgabel des Monats“ verleihen sollte, verleihe ich Ihnen hiermit ganz hochoffiziell den „Misthaufen des Monats“, stellvertretend für alle Pferdefreunde, die sich für fairen Umgang mit dem Pferd, den guten Ruf und den Erhalt der Reitkunst einsetzen.