Wer kennt das nicht? Man kommt gut gelaunt in den Stall, macht sein Pferd soweit fertig und holt die Trense, um es aufzutrensen. Doch statt das Gebiss zu nehmen, beisst das Pferd beim Anblick der Trense die Zähne zusammen, so fest es kann, schüttelt den Kopf, hebt ihn so hoch, das wir nicht mehr herankommen. Schlichtweg: es verweigert. Irgendwann hat man es dann geschafft, das Pferd doch aufzutrensen und ist so genervt, dass man das Reiten eigentlich besser lassen sollte. Es gibt nichts Schlimmeres für die Arbeitsatmosphäre, als ein Pferd, das sich nicht auftrensen lässt. Zumindest die Leute, die sich um Ihr Pferd sorgen, sind mit dieser Situation sicher nicht unbedingt glücklich.

Doch das ist keinesfalls die Schuld des Pferdes. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unser Pferd die Dinge, die wir von ihm verlangen, gerne tut. Wir sollten also etwas tun, um diese Situation zu ändern.

In der Regel reagiert unser Pferd so, wie es dies gelernt hat. Grundlage seines Verhaltens sind Muster, die sich das Pferd im Laufe der Zeit angeeignet hat. Und sicher hat jedes Pferd irgendwann mal gelernt, das Gebiss ins Maul zu nehmen und sich willig auftrensen zu lassen. Denn schließlich ist das notwendig, um das Pferd zu reiten (in den meisten Fällen jedenfalls). Das eine Pferd hat es vielleicht mit viel Lob und Geduld gelernt, ein andere mit Zwang und Gewalt. Meistens wird das Auftrensen in den ersten Wochen noch gelobt, aber irgendwann wird es als Selbstverständlich angesehen und zur Routine. Das Lob entfällt. Reagiert wird erst wieder in Form von Strafe oder Unmut, wenn das Pferd plötzlich nicht mehr will. Warum auch? Schließlich haben wir aufgehört, ihm zu sagen, dass das, was es tut, richtig ist. Ein Verhalten bzw. eine Reaktion auf ein Verhalten zu ignorieren ist ein ziemlich sicherer Weg, das Verhalten zu löschen oder zumindest abzuschwächen. Es wird schlechter, denn Pferde kennen keine Selbstverständlichkeit. Wir befinden uns in einem Teufelskreis, denn das Pferd gibt uns möglicherweise auch keinen Grund mehr, es zu loben. Zumindest kann das unsere Meinung sein.

Doch nicht immer lag das vorher Geschehene in unserer Hand, so dass wir es hätten beeinflussen können. Aber wir können die Einstellung des Pferdes im hier und jetzt und in Zukunft ändern, also packen wir es an. Ich möchte euch nun eine Möglichkeit zeigen, das Auftrensen stressfrei zu gestalten. Dazu ist es nötig, ganz von vorne anzufangen.

Schnallt das Gebiss aus der Trense aus und bewaffnet euch mit ausreichend Futterlob. Nun zeigt ihr eurem Pferd das Gebiss. Sobald es in irgendeiner Weise Interesse zeigt, belohnt es. Ganz egal ob es nur ein kurzer Blick oder sogar ein Schnuppern oder Anstupsen mit der Nase ist. Wenn ihr dies einige Male wiederholt und jedes Mal belohnt habt, sollte euer Pferd irgendwann anfangen, das Maul zu öffnen oder am Gebiss „rumzugnabbeln“.  Sobald dies geschieht, lobt euer Pferd. Möglicherweise hilft es hier die Belohnung ein wenig hinauszuzögern.

Im nächsten Schritt lobt ihr also jegliches Maul öffnen, anknabbern, jegliche Interaktion zwischen Gebiss und Maul. Nun wird es Zeit, das Gebiss in beide Hände zu nehmen. Fasst es an den Trensenringen an und haltet es eurem Pferd vor die Nase. Wiederholt die ersten Schritte, bis euer Pferd das Gebiss selbständig ins Maul nimmt. Dies wird es tun, wenn ihr die vorherigen Schritte oft und präzise genug belohnt.  Klappt das sicher, könnt ihr das Gebiss mal et was weiter vorn oder weiter unten platzieren und auch hier loben, wenn das Pferd sich dem Gebiss entgegenstreckt, bis es das Gebiss ins Maul nimmt.

Nun ist es an der Zeit, das Gebiss wieder in die Trense zu schnallen. Der nächste Schritt ist einfach. Ihr tut das gleiche wie vorher, nur mit Trense. Haltet die Trense „einstiegsbereit“ vor das Pferd und belohnt jede Annäherung an das Gebiss. Es sollte nicht lange dauern, bis euer Pferd die Nase ins Reithalfter steckt und das Gebiss annimmt. Klappt dies selbständig, dürft ihr eurem Pferd das Reithalfter über die Ohren ziehen – vorsichtig. Habt ihr Probleme damit, dass euer Pferd den Kopf hoch reißt, nehmt euch für diesen Schritt ausreichend Zeit. Haltet die Trense und damit das Gebiss etwas tiefer und nachdem das Pferd das Gebiss selbständig aufgenommen hat, bewegt die Hände mit dem Reithalfter so weit nach oben, wie das Pferd dies toleriert, ohne mit dem Kopf zu schlagen. Nur soweit, dass Ihr das Pferd noch loben könnt.

Wenn ihr euer Pferd nun stressfrei auftrensen könnt, seit vorsichtig damit, was ihr mit dem Gebiss und den Zügeln tut. Ihr könnt schließlich nicht erwartet, dass euer Pferd euch freudig entgegenspringt und sich auftrenst, wenn ihr ihm ständig im Maul zieht und mit dem Gebiss nur Schmerzen zufügt.

Nun liegt es an euch, diese gute Angewohnheit beizubehalten. Lasst es nicht zu einer Selbstverständlichkeit werden. Es ist niemals selbstverständlich, wenn das Pferd etwas „Unnatürliches“ von sich aus tut. Sie tun es, weil wir Ihnen gezeigt haben, was Sie tun sollen und Sie gelernt haben, die richtige Antwort zu geben. Und natürlich, weil wir Sie dafür gelobt haben und weiterhin loben. Die beste Vorbeugung ein Verhalten vor Abschwächung oder sogar Löschung zu bewahren, ist das Verhalten zu belohnen. Natürlich müsst ihr euer Pferd nicht jedes Mal belohnen, aber warum eigentlich nicht? Warum dem Pferd nicht sagen, was für ein Held es ist und das es seinen Job gut macht?

Wär doch klasse, wenn euer Pferd es ab sofort lieben würde, sich auftrensen zu lassen. Also lasst es wissen, wie es euch stolz machen kann, die Dinge können so einfach sein.

Also, ausprobieren und feststellen, dass Auftrensen einfach und entspannt sein kann …

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