[singlepic id=1383 w=320 h=240 float=right]Ich weiß, ich weiß, schon der Titel hört sich etwas abgehoben an und man würde ihn eher auf einem Blog für Lebenshilfe erwarten. Doch auch im Umgang mit Pferden ist Genügsamkeit eine Tugend, die uns zu mehr Zufriedenheit im Umgang mit dem Pferd verhelfen kann, weshalb ich gern die Möglichkeit wahrnehme, darüber zu schreiben.
Ein Punkt, an den ich in meinen Kursen und meinem Unterricht immer und immer wieder gern erinnere, ist das Thema Genügsamkeit. Und ich gebe zu, auch ich muss mich hin und wieder an die eigene Nase fassen und mich daran erinnern, bescheiden und genügsam zu sein und mich mit scheinbar „weniger“ zufrieden zu geben. Dabei fällt mir schon beim Schreiben auf, dass „wenig“ eigentlich eine sehr schwer zu beurteilende Einheit ist, da eigentlich der Lernende, also in dem Fall das Pferd, beurteilen müsste, wann wenig genug ist. Würde man stets vom geringsten Ansatz des Erfolges schon ausgehen, so wäre man auf der sicheren Seite. Doch genau das ist es, was uns ach so schwer fällt.
Jeder von uns kennt doch die Situation, dass er im falschen Moment gerne noch ein Quäntchen mehr Erfolg hätte, vielleicht noch ein bisschen besser oder noch ein bisschen weiter. Manchmal klappt das auch, doch häufig bricht das gerade Gelernte sogar in sich zusammen wie ein Kartenhaus und wirft einen im schlimmsten Fall sogar zurück. Man hat verpasst, die Bemühung des Pferdes, die zweifellos wirklich gut war, zu loben und dem Pferd die Chance verwehrt, aus dem richtigen Verhalten zu lernen. Wenn uns dies auffällt, weil wir auf kleine Schritte sensibilisiert sind, dann können wir solche Situationen als Anlass nehmen, uns an Bescheidenheit und Genügsamkeit zu erinnern und diesen Fehler das nächste Mal vermeiden. Wenn uns der Fehler jedoch nicht bewusst ist, entsteht auf beiden Seiten Frust: beim Pferd, weil es sich so offensichtlich bemüht hat und mit seinen Bemühungen dennoch keinen Erfolg hatte und bei uns, weil auch wir in diesem Moment „versagt“ haben, oder die Bemühung des Pferdes nicht erkannt haben und denken, dass Pferd habe uns nicht verstanden oder sogar den Dienst verweigert. Im konventionellen Pferdetraining entstehen genau in solchen Momenten Missverständnisse, die die weitere Zusammenarbeit prägen, wenn sie sich immer und immer wieder wiederholen. Schon ein kleines bisschen mehr Bescheidenheit hätte hier zu einem Erfolgserlebnis für beide Partner geführt.
Genau diesem „kleinen bisschen mehr Bescheidenheit“ schenken wir meist viel zu wenig Beachtung. Dabei sollte einem klar sein, dass dies in der Regel nicht willentlich geschieht. In dieser von Konsum und Überfluss geprägten Gesellschaft ist es schwer, sich auf Werte wie Genügsamkeit und Bescheidenheit zu besinnen, denn häufig wird der Konsum mit persönlichem Erfolg und Glück gleichgestellt. Doch nicht der materielle Konsum ist es letztlich, der uns Zufriedenheit bringt, sondern der immaterielle Erfolg, der uns im Herzen anspricht. Doch auch dieser kommt häufig zu kurz.
Was können wir nun tun, um diesem Kreislauf entgegen zu wirken und mehr Freude und Zufriedenheit im Umgang mit dem Pferd zu erlangen? Zuerst einmal, sich dessen bewusst werden und sich frei machen, von Erfolgs- und Zeitdruck. Natürlich soll und darf man Ziele haben, doch stressfrei und fröhlich können diese nur erreicht werden, wenn der Weg als Ziel erkannt wird und die gemeinsame Zeit und nicht ein möglicher Erfolg im Vordergrund steht.
[singlepic id=1384 w=320 h=240 float=left]Als nächstes kann es sinnvoll sein, seine Trainingsstrategie zu überdenken und diese vor allem auch im Training bewusster wahrzunehmen. Ein Punkt, der uns hierbei unterstützt ist die richtige Anwendung von Lob. Überhaupt ist genau dieser Punkt entscheidend für den Lernerfolg. Gerade in der Arbeit mit negativer Verstärkung, also der Belohnung durch Nachlassen von Druck, passiert es leicht, dass man den richtigen Moment zu Loben verpasst, weil man doch gerne noch ein bisschen mehr hiervon oder davon gehabt hätte oder schon den Ansatz richtigen Verhaltens nicht bewusst wahrnimmt. Oft kommt man zunächst trotzdem voran, denn Pferde lernen durchaus auch durch Druck, doch wie viele Gelegenheiten sich zu freuen verpasst man allein hierdurch? Dies ist in der Tat eine der größten „Gefahren“ der negativen Bestärkung, weil sich die Frustration langsam breit macht und man erst viel zu spät bemerkt, welch Motivationskiller eine mögliche Unachtsamkeit sein kann. Genügsam zu sein, heißt nicht unbedingt zu Verzichten, sondern im Idealfall bekommen Sie sogar etwas dafür. Es ist an Ihnen zu bestimmen, welchen Werten Sie folgen möchten und ob Zufriedenheit und Glücksgefühl für Sie ein erstrebenswertes Ziel sind 😉 Verstehen Sie mich nicht falsch, das soll nicht bedeuten, dass sie ab heute nicht mehr mit negativer Verstärkung arbeiten dürfen. Ich möchte Sie nur sensibilisieren darüber nachzudenken und zu beobachten, ob es nicht effektiver ist, in noch kleineren Schritten vorzugehen damit Sie mehr Möglichkeiten haben, sich mit Lob bei Ihrem Pferd zu bedanken und sich am gemeinsamen Erfolg zu freuen. Wenn ich auf meine Anfänge im Training zurückdenke, dann stelle ich fest, dass mehr Druck für mich häufig eine (unangebrachte) Rechtfertigung für zu wenig Zeit war und mir das Vertrauen darin fehlte, dass man auch mit weniger oder gar keinem Druck zu einem gleichwertigen Ergebnis kommen kann.
Wer mit seinem Pferd mittels positiver Bestärkung und/oder Clicker voranschreitet, der kommt in diese Bredouille häufig gar nicht erst, denn für ihn entscheidend sind die genaue Beobachtung und das Vertrauen darin, dass das Pferd das richtige Verhalten zeigt. Belohnt man nicht richtig, verpasst man den richtigen Moment, ist das Timing schlecht, erhält man schlicht und ergreifend nicht das richtige Verhalten. Man kann sich also selbst dazu motivieren, kleine Schritte zu belohnen und wird schnell feststellen, dass diese Art von Arbeit beiden Partnern viel Freude und Spaß schenkt und das gesamte Zusammensein mit dem Pferd prägt. Durch das punktgenaue Loben fällt es einem viel leichter, den richtigen Moment zu erfassen und in der Kommunikation deutlicher zu werden. Denn der Click oder das Lob sind sehr prägnant und stehen selbst für den Moment, der unwiderruflich richtig ist 😉
Und nicht zuletzt, nehmen Sie auch etwas für sich selbst mit, seien Sie doch selbst im Alltag mal etwas genügsamer. Sagen Sie doch häufiger selbst mal „Danke“ zu dem, was Sie haben oder bekommen, ohne daran zu denken, was Ihnen fehlt oder was Sie stattdessen bekommen könnten. Genügsam sein heißt auch dankbar sein zu können. Wer genügsam ist, der braucht nicht mehr, um glücklich zu sein, sondern er ist zufrieden mit dem was er hat und kann sich daran erfreuen!
Ich freue mich über eure Gedanken zum Thema!
Wohl war! Viele kleine Schritte schaffen auch immer die Gelegenheit zum Loben und das motiviert ungemein. Übrigens nicht nur Pferde, sondern auch Menschen. LG, Heike
Das Vertrauen des Pferdes muss man gewinnen, genau wie der Mensch das Vertrauen mit anderen aufbauen muss! 🙂
Super, wir verwenden die Ausbildung in kleinen Schritten für unsere Jungpferde ständig. Das funktioniert so gut das wir im Frühjahr problemfrei verladen können und die Pferde in die Sommerfrische schicken können. Im Spätherbst beim Aufstallen ist alles gelernte sofort wieder abrufbar.
Ich find ja, Pferde sind Lebenshilfe, von daher ist der Beitrag hier genau richtig 😉
Ich ertappte mich dieser Tage mal wieder dabei, wie ich dachte, Mensch, jetzt ist der Kurs ja schon so bald und ich hatte doch eigentlich vor, bis dahin dies und jenes erarbeitet zu haben. Irgendwie kam aber manches Mal was anderes dazwischen, ein schöner Ausritt oder auch mal ein Ruhetag oder Regenwetter oder oder und deshalb ist manches noch nicht so, wie ich es gern gehabt hätte.
Und da kommen dann die Gedanken, dass man doch jetzt schnell in ein zwei Übungen noch was aufholen könnte und *plöpps* stehen die Frau Ungeduld und der Herr Ehrgeiz bereit, schalten sich ein und führen zur beiderseitiger Unzufriedenheit.
Ich: meine Güte, das Hüfttarget funktioniert doch am Boden mittlerweile aus dem Schlaf, wieso geht das auf dem Podest denn gar nicht? Kann doch nicht so schwer sein, die Hinterhand mal seitlich zu bewegen.
Frau Pony: meine Güte, jetzt bin ich hier auf das Ding gestiegen, völlig freiwillig, unbequem isses, Vorderbeine oben, Hinterbeine unten und viel zu gucken gibt es auch noch und da stellt die sich jetzt dahin und ich soll auch noch dieses Hüfttarget machen. Geht gar nicht, ist doof, ich steig ab und hör auf.
Tscha, Ziel verfehlt, Bescheidenheit und Genügsamkeit bitte zu mir 😉
Sady, der Beitrag passte heute wieder in meinen Tag.
Meine Kollegin hatte gestern zu einer Seminarteilnehmerin gesagt: „Deine Aufgabe heute ist es eine Bewerbung zu schreiben.“ Nach 8 Stunden gab es kein brauchbares Ergebnis. Die TN war frustiert und die Kollegin auch.
Nachdem wir den Fall besprochen hatten, ging sie zu der TN und sagte:“Ich möchte, dass du ein Bewerbungsanschreiben fertigstellst und mir zur Korrektur vorlegst.“ Die Aufgabe war binnen 20min erledigt. Dann bat sie um den Ausdruck des vorhandenen Lebenslaufes. Jetzt konnte beides unterschrieben werden. Nun sollten die Anlagen kopiert werden. Danach hieß die Aufgabe: Alle Seiten in die Bewerbungsmappe legen. Dann Briefumschlag beschriften, alles rein und in die Post geben.
Alles dauerte max. 90min. Kollegin und TN hatten mehrfach das Gefühl etwas geschafft zu haben und waren mit sich und der Aufgabenstellung zufrieden.
Wie du siehst, Sady, ist der Titel durchaus Lebenshilfe. Und wenn wir Menschen uns das häufiger im Umgang mit Lernenden bewusst machen würden, dann wären auch große Aufgaben für den einzelnen kein Problem mehr.
Danke für die Mühe, die du dir immer gibst. Anke
Mensch Sady,
Du begeisterst mich immer wieder aufs Neue.
Erst mal deine Art und Weise zu Schreiben, der Wahnsinn! Ich könnte stundenlang Texte von dir Lesen!!
Und dann noch dazu der Inhalt deiner Texte! Du sprichst mir aus der Seele und findest so oft Worte dafür,was ich in meinem Gedanken-Wirr-Warr manchmal nicht erfassen kann!
Auch dieser Text trifft es mal wieder auf den Punkt…“take the time it takes and it takes less time!“…oder „wer sich über die kleinen Dinge freut,ist offen dafür,Größeres zu erreichen!“
Für den heutigen Mensch sehr schwieriger, rein dadurch,was uns die Gesellschaft vorlebt. Es muss größer,weiter und besser sein, immer mehr in immer weniger Zeit von statten gehen. Und das bürgert sich auch immer öfter in unseren Köpfen ein.
Auch ich muss mich ebenso oft selbst ermahnen,auch die kleinen Dinge zu loben und gut zu heißen. Gerade wenn man mit seinem Pferd schon einiges erreicht hat, wird man manchmal immer knausriger damit,wenn er Neues erlernen soll. Ganz nach dem Motto :“er kann schon so viel,dass muss doch ein Kinderspiel für ihn sein!“
Du triffst das alles wieder super auf den Punkt!
Klasse Text und wundervolle Worte!
Auch ein dickes Danke von mir für die vielen,tollen Berichte!!!
Hallo Sady,
deine Worte sprechen mir aus der Seele. Als ich mit der Ausbildung von meinem Süßen angefangen habe gehörte ich auch zu den „Übermotivierten“ und schnell stellte sich heraus, wenn ich zu viel druck aufbaue wird sich komplett gesperrt und wir fangen wieder bei null an. Mittlerweile bestimmt das Pony die Geschwindigkeit und wenn er etwas super toll macht dann darf er auch schon mal nach einigen Minuten des Denkens und Arbeitens wieder in die Pause. Lieber Öfters und Kurz als wenig und viel ist unsere Devise und es klappt damit super.
Und hier ist wie die anderen ja auch schon bemerkt haben der Knackpunkt, heutzutage wird es einem ja vorgelebt das alles schnell schnell und im hauruck verfahren zu laufen hat. Zeit und Ruhe? Was ist das? Und genau das sollte Frau/Mann sich bei seinem Liebling holen und nehmen.
Bis Pony so weit ist wie dein Tarek werden noch Jahre vergehen, aber die ist dein Großer meinem auch vorraus 🙂 Wir wachsen einfach zusammen weiter und ich freue mich auch weitere schöne und vor allem viele Jahre mit ihm. Dir und deinen beiden weiterhin viel spaß und freude bei der Arbeit. Wir werden euch weiterhin verfolgen 🙂
LG Sunny
Wenn du wüßtest wie viel ich durch Deine Artikel lerne….eifach klasse und meine Gretel ist auch viel glücklicher und gelassener! Danke Dir!
Danke für diese lehrreichen Artikel! Du schreibst ganz toll. 🙂