Schnappt das Pferd im Training? Benimmt es sich „unhöflich“ und bedrängt den Menschen? Spult es eine Lektion nach der anderen ab? Dann können unerfüllte Grundbedürfnisse, wie zum Beispiel Hunger, die Ursache sein, wenn sich kein oder nur ein geringer Lernerfolg einstellt.

Einer der häufigsten Probleme, die gerade zu Beginn des Trainings mit positiver Verstärkung auftreten, ist Frustration und dadurch bedingter Stress. Häufig spielen unerfüllte Grundbedürfnisse hierbei eine große Rolle. Am häufigsten ist meiner Erfahrung nach Hunger. Ein Pferd, das hungrig ist, lässt sich schnell frustrieren. Gerade zu Beginn, wenn die Kriterien noch nicht klar sind und das Pferd die Grundregeln des Trainings noch begreifen muss, wird das Training so extrem erschwert. Und selbst wenn die Kriterien für die Belohnung klar sind, wird es große Probleme haben, Gelassenheit und Ruhe im Training zu entwickeln, dabei ist Entspannung einer der wichtigsten Dinge im Training. Nicht selten kommt es dabei zu Übersprungshandlungen, wie zum Beispiel „schnappen“. Sehr oft zeigt es sich auch in der Art und Weise, wie das Pferd das Futter entgegennimmt oder im generellen Drang, dem Menschen möglichst „auf die Pelle zu rücken“. Ist der Mensch dann noch Anfänger, heißt es sehr schnell, „positive Verstärkung ist für mein Pferd nicht geeignet“ oder der Mensch ist schlichtweg überfordert und gibt auf.

Auch Probleme mit der Signalkontrolle, wie ständiges Abspulen von Lektionen, werden stark von Hunger beeinflusst. Dabei wird dies oft als Übermotivation missverstanden und so die „Not“ des Pferdes nicht erkannt. Für das Pferd ergibt es jedoch schlichtweg keinen Sinn, permanent Verhalten zu zeigen, wenn dies konsequent nicht zu einer Belohnung führt. Der Organismus ist darauf ausgelegt, nur „sinnvolles“ Verhalten zu zeigen, welches entsprechende Konsequenzen mit sich bringt. Sind diese nicht gegeben, wird das Verhalten weniger gezeigt oder gänzlich verschwinden. Man kann also von einem eher „unnatürlichen“ Vorgang sprechen, wenn das Pferd trotz aller Bemühungen weiterhin Verhalten abspult.

Es ist wichtig, bei Problemen im Training einen genauen Blick auf die Grundbedürfnisse des Pferdes zu werfen, auch, wenn man denkt, dass hier kein Defizit vorliegt. Oft geben wir schon unser Bestes, um die Haltungsbedingungen zu optimieren und ziehen dies gar nicht in Betracht. Dabei ist gerade die Fütterung von Pferden mit unterschiedlichen Bedürfnissen innerhalb einer Gruppe problematisch, da individuelle Lösungen schwierig sind. Oder die Haltung entspricht grundsätzlich den Bedürfnissen des Pferdes und die Fütterung muss reguliert werden. Dann werden oft „SlowFeeder“, wie Heunetze oder „Fressbremsen“ als ausschließliche Futterquelle genutzt, die ein nicht zu unterschätzendes Stresspotential mit sich bringen eingesetzt. Durch engmaschigen Netze oder kleinen Einlässe kaut das Pferd weniger als der Organismus benötigt, um ein Sättigungsgefühl herzustellen. Oder das Pferd bekommt tatsächlich zu wenig Nahrhaftes, sodass es weiterhin hunger hat. Auch eine erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen, produziert durch Frustration beim Fressen, beeinträchtigt das Training, weil Stresshormone relativ lange benötigt werden, um abgebaut zu werden und sich so schnell zu einem grundlegenden Problem entwickeln.

Manchmal gibt es keine andere Option, als die Reduktion des Futters oder das Nutzen eines SlowFeeders. Hier sollte dann ein guter Kompromiss gefunden werden, denn wenn die Probleme sich im Training zeigen, so stellen sie im Leben des Pferdes ebenfalls eine große Beeinträchtigung und damit auch ein großes Gesundheitsrisiko dar. Chronischer Stress wirkt sich auf den ganzen Organismus sowohl körperlich, als auch psychisch aus und kann schwerwiegende Folgen haben. Manchmal gibt es nicht die optimale Lösung und man muss für sich selbst entscheiden, welche Dinge man in Kauf nimmt, ob zum Beispiel ein leicht übergewichtiges Pferd ein geringeres Problem ist als ein permanent gestresstes, weil gefrustetes Pferd. Manchmal kommt man tatsächlich auch nicht um eine Änderung der Haltung durch zum Beispiel Umzug herum, wenn die Probleme nicht anders zu lösen sind und kein Kompromiss gefunden werden kann.

Wer die Befürchtung hat, dies könne auf sein Pferd zutreffen, sollte experimentell vor dem Training mal eine große Portion Heu, Heucobs oder anderes Grundfutter. (unter Berücksichtigung, was das Pferd zu sich nehmen darf) füttern und nach einer kurzen Ruhepause (15 bis 60 Minuten) beobachten, ob sich das Verhalten des Pferdes im Training verändert. Ist das Pferd konzentrierter oder ruhiger, nimmt es das Futter nach kurzer Umgewöhnung vorsichtiger und können Trainingsfehler überwiegend ausgeschlossen werden, ist ein Fütterungsdefizit (=Hunger) sehr wahrscheinlich. Dann ist es sinnvoll, vor dem Training zumindest eine kleine Portion zu füttern, bis sich eine langfristige Lösung gefunden hat, damit das Training, gerade zu Beginn für das Pferd überhaupt möglich ist. Frustration im Training kann außerdem zu Aggression führen, sodass bei manchen Pferden sogar ein Sicherheitsrisiko besteht. Zu Beginn des positiven Trainings, gerade bei einer entsprechenden Vorgeschichte, empfiehlt sich ohnehin das Training hinter einer Absperrung, in dem zunächst einfache Aufgaben wie das Berühren eines Targets, geübt werden. Das ist selbst bei sonst braven Pferden eine gute Wahl, da sich nicht nur der Mensch so sicherer fühlt, sondern auch verhindert, dass der Mensch in Situationen kommt, in der er versucht ist, sich mit Strafe zu verteidigen, was weiteren Stress auslöst.

Auch der Wechsel zwischen Training und Pausen sollte direkt zu Anfang mit aufgenommen werden, da das Training mit positiver Verstärkung für das Pferd – und auch für den Menschen – anstrengend ist und die Konzentration stark beansprucht. Die Sessions sollten zu Beginn nur wenige Minuten betragen und die Pausen mindestens genauso lang sein, wie die Trainingseinheiten selbst. Um weiteren Stress zu reduzieren, sollte das Pferd außerdem Heu/Rauhfutter und Wasser zur freien Verfügung haben und die Wertigkeit der Belohnung möglichst nur geringfügig vom zur Verfügung gestellten Futter abweichen, damit das Pferd bei zu viel Stress die Möglichkeit hat, dies durch Hinwenden zum Rauhfutter anzuzeigen, statt sich aufgrund der Belohnung in den Frust zu steigern. So behält das Pferd im Training die Wahl und die Kontrolle und fühlt sich nicht emotional unter Druck gesetzt, was für eine entspannte Trainingsatmosphäre wichtig ist.

Selbstverständlich können nicht nur Defizite in der Fütterung für Stress sorgen. Auch nicht erfüllte Grundbedürfnisse wie Bewegung oder ein unbefriedigter Spieltrieb durch eine ungünstige Herdenkonstellation beeinflussen den Stressfaktor. Genauso wie bei uns Menschen ist die Grundlage für ein positives Trainingserlebnis die Erfüllung der Grundbedürfnisse.