Immer mehr Freizeitreiter denken nicht nur über den Kauf eines Fohlens nach, sondern verwirklichen diesen auch. Das mag viele Gründe haben. Einerseits erscheint die Anschaffung eines Pferdekindes natürlich im ersten Moment günstig und angesichts der wachsenden Zahlen an Schlachtfohlen auch ehrenvoll (Versteht mich nicht falsch, ich glaube, das ist wirklich häufig ein Motiv), andererseits birgt der Gedanke, ein Pferd selbst auszubilden und aufwachsen zu sehen natürliche eine große Faszination. Natürlich macht man sich am Anfang eine Menge Gedanken darüber, wie man das zukünftige Leben des neuen Familienmitglieds gestalten möchte.
Natürlich weiß man auch, dass es eine lange Zeit zu überbrücken gibt, in der so ein Fohlen in erster Linie Pferdekind sein sollte und in der man sich in vornehmer Zurückhaltung üben muss. Aber ich wage zu bezweifeln, dass die meisten wirklich einschätzen können, wie lang die Zeit wirklich ist, bis man mit einem Jungpferd tatsächlich an regelmässiges Training denken kann. Ich glaube, dass hier so mancher in Punkto Selbstbeherrschung schon an seine persönlichen Grenzen gestossen ist. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich immer öfter wirklich junge Pferde sehen, die ganz offensichtlich schon in ernstem Training stehen. Ich sehe Fohlen, die im Galopp um Ihre Besitzer (oder Trainer!) zirkeln, ich sehe Jährlinge, die schon die ersten Zirkuslektionen auf Abruf können und natürlich sehe ich – fast schon Normalität – Dreijährige, die ihre Ihre runden eifrig täglich in der Reitbahn oder im Gelände gehen. Sicher, an sich nichts Neues. Bisher beschränkten sich diese frühe Ausbildung jedoch eher auf sportlich orientierte Sparten, inzwischen kann man diese Beobachtung zunehmends auch bei Freizeitreitern sehen mit vergleichsweise geringen sportlichen Ambitionen.
Ich bekomme auch immer mehr Mails von Leuten, die mich fragen, wann Sie mit Ihren Pferden beginnen können, Zirkuslektionen zu lernen. Ich möchte hier auch nicht ermahnen, fragt mich ruhig weiter, ich finde es gut, dass ihr fragt, aber wie viele fragen denn wirklich? Die Grauziffer ist sicher deutlich höher. Für die Zirkuslektionen gilt ganz klar, sie erfordern regelmässiges Training mit einer gewissen Ernsthafigkeit, sie erfordern vor allem Konzentration und Muskelarbeit, wenn man sie mit Sinn und Verstand verfolgen möchte. Ein junges Pferd ist hierzu noch nicht in der Lage. Je nach Pferd halte ich ein Alter von 2,5 Jahren mindestens als angebracht, nur in wenigen Fällen früher. Das gilt nicht nur für Zirkuslektionen, sondern für jede Art körperlicher Beschäftigung, der Sehnen, Bänder, Gelenke und Knochen in dem Wachstumsstadium einfach noch nicht gewachsen sind.
Nicht immer steht Ungeduld oder das eigene Ego dahinter, ganz oft hört man als Begründung „Aber das hat er doch von alleine angeboten …“, wenn das junge Pferd schon Dinge beherrscht, die es eigentlich noch gar nicht können bräuchte oder sogar sollte. Ich finde, die Freiwilligkeit des Pferdes ist ein Geschenk an uns. Unser Geschenk an das Pferd sollte es sein, dieses zu würdigen, in dem wir uns überlegen, ob diese Art der Arbeit altersgerecht ist. Ganz egal ob das Pferd diese ohnehin in der freien Natur zeigen würde, es besteht ein Unterschied! Manchmal muss man als „Pferdemutter“ einfach mal sagen „Hierfür ist es noch nicht Zeit!“. Man übernimmt Verantwortung und diese sollte so weit reichen, dass wir uns auch über den Sinn und die Altersgerechtheit der Lektionen Gedanken machen und ggf. einfach unsere eigenen Ziele hintenanstellen – auch wenn es noch so schön wäre 🙂
Natürlich gibt es auch Dinge, die man mit sehr jungen Pferden bzw. Fohlen schon machen kann. Clickertraining ist eine tolle Sache für junge Pferde, weil sie so zwanglos die Spielregeln des Pferdelebens unter Menschen lernen können. Das Führen von der Weide zum Putzplatz, das Stehen, Angebundensein, Hufe geben – das Fohlen ABC. Der Umgang ist das einzige, was in jungen Jahren gewährleistet sein sollte und das Pferd lernen muss, für alles andere ist später noch genug Zeit. Wer es nicht abwarten kann, kann seinem Pferd vielleicht den ein oder anderen Trick lehren, ein bisschen Gewöhnungstraining machen oder Spazierengehen, leichtes Führtraining. Für ein Pferd kann es durchaus auch Sinn machen, das ein oder andere frühzeitig zu lernen, wie z. B. sich überall berühren zu lassen und zu lernen, dass Druck eine Information und kein Zwang ist Aber auch das nur kurz und in Maßen und das natürlich ohne drastische Druckverstärkung physischer oder mentaler Natur. Das kann man sehr gut ebenfalls mit dem Clicker verbinden. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Pferd hier für sein Leben lernt und sicher nicht vergisst! Schließlich soll es uns positiv erleben!
Clickertraining lehrt das Pferd, zu lernen und lehrt uns, zu Lehren, deshalb ist es auch eine sehr mächtige Methode, Pferden etwas beizubringen. Das gleiche gilt auch für die Arbeit mit Lobwort und Futterlob, welches im Prinzip genauso funktioniert. Man bekommt selbst sehr viel Input und sieht alles mit anderen Augen. Man sieht etwas und denkt „toll, das nehme ich mit“ und beginnt, dieses zu bestärken, was dazu führt, dass das Pferd es bald darauf auch wieder anbietet. Eine heikle Gewissensfrage… Annehmen oder nicht? Wenn es sich hierbei um Tricks handelt, die dem Pferd keinen hohen Körperlichen Einsatz abverlangen, warum nicht. Wenn es aber um Dinge geht, die einen gewissen körperlichen Anspruch bedeuten, dann rate ich, diese zu vertagen und nicht gezielt zu trainieren. Glücklicherweise sind Dinge, die das Pferd von sich anbietet, auch nicht verloren. Es werden wieder Gelegenheiten kommen, diese zu bestärken – „Es gibt hier kein Nein, es gibt nur ein später“ (Zitat: Corinna Scholz)
Ich kann hier sicherlich nur meine persönliche Meinung nach Außen tragen und sicherlich kann ich mich, wie so viele an dem ein oder anderen Punkt auch an die eigene Nase fassen. Jeder muß für sich selbst entscheiden, was und wieviel richtig und notwendig ist. Ich möchte auch nicht ermahnend den Zeigefinger heben und auf die Zeigen, die es anders machen. Ich möchte nur ein wenig zum Nachdenken anregen…
Eure Sady
Danke für diesen tollen Artikel! Ich wundere mich immmer wieder darüber wie man immer früher mit jungen Pferden zu arbeiten beginnt – und auch Zirkuslektionen sehe ich als „Arbeit“ – wie du schon so schön beschrieben hast, geht es hier um gezielten Muskeleinsatz, Konzentrationsfähigkeiten schulen etc. …
Liebe Sylvia! DANKE!!! Ich finde es absolut großartig, dass du diese deine Meinung in die Welt trägst! Grade in der Horsemanship-Welt ist dies ein wichtiges Wort, denn viele meinen ja, da sie faire Methoden anwenden, ist es schon ok, wenn sie dies auch bei Absetztern oder Jährlingen tun. Allein fehlt vllt. manchmal das Wissen, um die anatomischen oder auch psychischen Auswirkungen. Deshalb ist es gut, wennn sich jemand wie du, den „man kennt“ und schätzt dieser Sache annimmt!
Ich möchte mich hier mal kollegial anschließen. Liebe Sady Du sprichst mir da aus der Seele denn auch ich habe hier im Berliner/ Brandenburger Raum vermehrt Anfragen zum anreiten junger unvorbreiteter Pferde und „ich hab mir mal ein Fohlen gekauft was kann man damit so machen“.
Wie Du schon sagst, es spricht ja nichts dagegen, aber junges Pferd x ahnungsloser Besitzer und die Einstellung das wird schon irgendwie gehen sind dann die Pferde die uns als „Problempferd“ dann vorgestellt werden. Entweder weil die Pfgerde bis 3 nur rumstehen ohne jeglichen Kontakt und dann „eingeritten“ bzw überfallen werden oder übermotivierte Jungpferdebesitzer die einfach schon zu viel wollen. Es gibt wirklich massig was man mit einem jungen Pferd machen kann, aber eben in Maßen und Pferdekind gerecht. Ich hofe viele die vor einer Überlegung stehen ein junges Pferd zu kaufen, fühlen sich durch diesen Beitrag nochmal angesprochen sich Ihre Überlegung genau nochmal zu durch denken. Denn weder zu viel wollen noch gar nichts wollen und dann überfallen ist der richtige Weg-sondern der goldene Weg in der Mitte. Und gerade wenn manselbst nicht einschätzen kann ob man sein Pferd über oder unterfordert sollte man in Professionelle Hilfe investieren, es zahlt sich doppelt und dreifach später aus.
Liebe Grüße aus Berlin/Brandenburg Bianca
Ich denke es kommt alles aufs Pferd drauf an…
Ich selber besitze eine Hannoveranerstute die nun 1,5 Jahre alt ist und sehr gerne beschäftigt werden möchte. Also mache ich einfache Sachen die für sie nicht viel Körperliche Arbeit erfordern, allerdings ein bisschen Köpfchen.
So kann sie schon: Ja sagen, Nein sagen, sich auf Komando im Kreis drehen, Teppich ausrollen, Tonne rollen, Beine überkreuzen, Flasche aufheben und einen Quietscheball aufheben und damit quietschen.
Ich denke man kann anhand der Übungen sehen das ich nicht viel körperliches abverlange, einfach nur ein wenig „Beschäftigung“ mache, die sie auch absolut cool finde.
Wenn ihr nun fragt wie oft ich übe, so kann ich nichts genaues sagen.
Vielleicht einmal in der Woche 10 Minuten, wenn überhaupt, denn meine kleine lernt leider Gottes sehr schnell, so das ich mir immer wieder mal was neues einfallen lassen muss.
Andererseits will ich sie nicht überfordern und dennoch steht sie jeden Tag am Gatter und wartet solange bis ich komme und dackelt mir dann den lieben langen Tag hinterher und stuppst mich an und wartet auf ihre Leckerli die sie sich dann „erarbeiten“ darf.
Ich denke man sollte abschätzen können wann man es bei einem jungem Pferd übertreibt… Kompliment , Hinlegen, usw. werde ich keinesfalls in diesem jungen Alter anfangen! Dessen bin ich mir bewusst 😉
Hallo Sylvia,
auch ich fragte dich, was ich mit meinem 19 Monate alten Burschen machen kann. Du empfielst mir sofort deinen Artikel. Dein Artikel sagt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin 🙂 Vielen Dank
Oft wird man von anderen unter Druck gesetzt, „mach doch mal bissl mehr mit deinem Pferd“, „der langweilt sich doch“, „der ist doch schon so groß, wieso machst du nicht mehr?“ oder wenn ich sagte das er erst mit 4,5 angeritten wird „Was? so spät, ach kannst schon eher anfang“
Aber ich werde mich nicht einschüchtern lassen, auch wenn man oft belächelt wird. Ich geh so weiter meinen Weg!
Das wusste ich nicht, dass man erst so spät anfangen kann. Danke für die Info 🙂
Halli hallo! 🙂
Ich finde diesen Artikel toll, denn er bestärkt mich darin, dass mein 4,5 Jahre alter Schnuckel NICHT mehr können muss als er kann. 🙂
In der Ruhe liegt die Kraft oder wie sagt man so schön. 😉
Schön geschriebener Artikel mit vielen Wahrheiten.
Allerdings gehört zum umfassenden Pferd-Know-How auch, dass der Körperbau eines Pferdes, egal ob Kaltblüter oder anderes normal großes Pferd maximal mit 20% seines Eigengewichtes belastet werden darf um gesundheitliche Schäden zu verhindern.
Wenn ein Pferd also 500 kg. wiegt, darf es maximal mit 100 kg. bepackt werden, also Sattel+evtl.Gepäck+Reiter. Dies ist offensichtlich bei dieser Pferdefachfrau bei weitem überschritten – also keineswegs vorbildhaft, im Gegensatz zu ihrer Arbeit am Boden.
Lieber anonymer „Horseman“ 😉 Ich hoffe, sie können das Gewicht ihres Pferdes, aus gesundheitlichen Aspekten, besser einschätzen als das meine, denn von mehr als 160 Kilo bin ich weit entfernt … Freundlichen Gruß, Sady
Sehr schöner Beitrag, danke dir Sady!
Sady, ich finde deinen Beitrag toll!
Ich habe ein 1,5 Jahre altes Stutfohlen, das wirklich alles mögliche anbietet. Im Eifer des Gefechtes habe ich mich dazu hinreißen lassen, ihr außer dem Fohlen-ABC (führen, anbinden, putzen, überall berühren, Hufe machen & spazieren gehen) noch einige Tricks beizubringen.
Sie kann lachen, Nein-sagen, gähnen, kennt das Pliè und dreht sich auf Kommando. Sie giert ständig nach Neuem aber ich habe für mich beschlossen, das es jetzt gut sein muss. Sie hat das alles so rasend schnell gelernt dass mir zwischendurch schon bange wurde. Sie ist doch noch ein Pferdekind!
Jetzt kommt sie den Sommer auf die Alm, weit, weit weg von jeglicher Zivilistaion und möglichen Zirkustricks! Mir scheint nämlich, dass sie durch die Tricks „wuschig“ und unstet wurde und wie ein Bordercollie nach immer neuen Aufgaben gelechzt hat und jede Handbewegung meinerseits fantasievoll interpretiert hat!
Es wird Zeit, dass sie wieder zu sich und „runter“ kommt. Ich brauche kein Pferd das 24/7 bespaßt werden muss!
Hallo!
Der Beitrag War sehr hilfreich ☺
Mein kleiner Araberhengst (10 Monate)
Kann noch keine Tricks aber er kann das Fohlen ABC perfekt
Ich finde es gut mal andere Meinungen zu lesen was mich in meiner Arbeit mit dem Pferd bestätigt, ich mache sehr wenig und bin nun kurz vor dem ersten aufsteigen ,das Pony ist nun 3,5 Jahre alt. Die Erziehung habe ich der Pferdeherde überlassen.Ich werde auch nicht den Galopp anfordern bevor Schritt und Trab Frei und an Longe und unter Reiter gut ist. Und auch überwiegend im gerade aus im Gelände anfangs zum Muskelaufbau im Schritt reiten alle Biegungen erst an der Hand üben etc. Ich habe einen Tag wöchentlich mit 2,5 angefangen und bin nun bei drei Tagen in der Woche. Und ich glaube auch es ist ein Gefühl was man entwickelt und es gibt kein patentrezept, bei Pferden mit Sportblut muss man wahrscheinlich darauf achten auch nicht zu unterfordern soviel Go brauche ich als Freizeitreiter nicht. Ich mache lieber weniger und komme schneller voran. So ist mein Gefühl. Danke für diese Seite LG