Konventionelles Training baut zu großen Teilen auf Druckaufbau und Nachlassen auf. Es lässt dem Pferd wenig Entscheidungsfreiraum, da ein Kommando häufig von einem „Mach es trotzdem!“ begleitet wird, falls das Pferd „Nein“ sagt. Warum finden wir es immer noch so legitim im Training über unangenehme Konsequenzen zu arbeiten, empfinden aber das materielle Belohnen von Verhalten als etwas Schlechtes? Einer der Gründe ist sicherlich, dass „Liebe“ für uns nichts Materielles ist, auch wenn wir wissen, dass diese Einrichtung der Natur letztlich ganz unemotional der Arterhaltung dient. 

Wir alle wollen, um unserer selbst geliebt werden. Trotzdem ist „Liebe“ für uns immer auch mit einer entsprechenden Gegenleistung verbunden. Von einer guten Beziehung erwarten wir, dass nicht nur wir uns einbringen, sondern auch unser Partner sich gleichberechtigt mit einbringt. So erwarten wir, dass die gemeinsamen Ressourcen auch gemeinschaftlich und den Bedürfnissen des Einzelnen angepasst geteilt werden. Dabei sind die Verstärker im zwischenmenschlichen Bereich sehr vielseitig und komplex – und individuell. Sie funktionieren auch von Mensch-zu-Mensch übergreifend, da zwar jeder Mensch unterschiedliche Präferenzen hat, aber ein gemeinsamer Konsens und somit Verständnis herrscht. Das Teilen von Ressourcen gilt als entgegenkommen und Liebesbeweis, gerade, wenn wir wissen, welcher Verstärker besonders viel „wert“ ist. Dabei kann ein materieller Verstärker ohne den entsprechenden Gefühlshintergrund manchmal sogar alles andere als ein Verstärker sein, wenn wir diesen zum Beispiel als „Wiedergutmachung“ oder „Bestechung“ empfinden. Dann fühlt sich ein Verstärker häufig alles andere als gut an. Während eine liebenswerte Geste für uns eine hohe Priorität hat. 

Wenn wir nun also von unserem Pferd „geliebt“ werden wollen, so erwarten wir von ihm auch hier gern eine Gegenleistung „um unserer selbst Willen“ und es fühlt sich nicht gut an, wenn wir für jedes Verhalten unseres Pferdes „bezahlen“ sollen, weil wir es durch Futter belohnen. Stattdessen fordern wir Verhalten ein (denn genau das tut das Training mit Druckaufbau und Nachlassen) und nehmen am Ende gar nicht mehr war, dass wir von Gleichberechtigung weit entfernt sind, weil der Druck selbst und auch der Umgang damit für uns so normal geworden sind. Dabei würde eine zwischenmenschliche Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein, wenn wir jede Frage an unseren Partner begleitet würde mit einem „Du hast zwar die Wahl, aber wenn du nicht … dann …“, denn die Freiheit, selbst zu entscheiden und „Nein“ zu sagen und damit die Kontrolle über sein Leben zu behalten, kommt für einen gesunden Menschen noch weit vor „Liebe“. Aber auch nur durch „Bezahlung“, ohne die Androhung von unangenehmen Konsequenzen, würde eine solche zwischenmenschliche Partnerschaft aus den oben genannten Gründen nicht funktionieren.

Der Unterschied zwischen einer zwischenmenschlichen Beziehung und der Pferd-Mensch-Kommunikation liegt darin – das dürfte niemandem neu sein – es mit zwei völlig unterschiedlichen Arten von Lebewesen zu tun haben. Dabei funktioniert das Gehirn von Pferd und Mensch ganz ähnlich. Gravierende Unterschiede gibt es jedoch in der Wahl der Verstärker, denn das, was wir selbst als Verstärker empfinden (soziale Anerkennung, Respekt, Achtung und auch Liebe) funktioniert in der Pferd-Mensch-Kommunikation nur sehr eingeschränkt, weil das Pferd diese Werte artübergreifend nicht als Verstärker empfindet. Möchten wir partnerschaftlich mit dem Pferd umgehen möchten, so ist es wichtig zu verstehen, dass wir mit unserem Pferd keine gemeinsamen Ressourcen teilen. 

Stattdessen macht es Sinn sich bewusst zu machen, welche primären, also angeborenen und arteigenen Verstärker uns im Training mit Pferden zur Verfügung stellen. Futter, Wasser und Sozialkontakt (zwischen Tieren der gleichen Art), aber je nach Pferd auch „soziale Körperpflege“, wie das Kraulen, stehen hierbei hoch im Kurs. Nutzen wir diese Verstärker im Training mit positiver Verstärkung, so wecken wir eine freudige Erwartungshaltung, da wir das Pferd in einer für ihn verständlichen Sprache „belohnen“. In unserer Welt, in der das Pferd weitestgehend fremdbestimmt agiert, entsteht so neben einem durch positive Emotionen begleiteten Training auch der Anschein von Freiwilligkeit und einer gewissen Kontrolle der Umwelt durch das Pferd. Auch der Wunsch nach geistiger Beschäftigung wird so nachgekommen, da das Pferd im Training aktiv Herausforderungen löst und Bestätigung dafür bekommt. So empfindet das Pferd nicht nur das Training und die Ausführung von Verhalten (ganz egal ob es sich damit um Lektionen oder „Alltagsverhalten“ handelt) als etwas Angenehmes, sondern auch die Anwesenheit des Menschen – die Grundlage einer guten Beziehung. In diesem Kontext ist der Mensch stets mit Positivem verknüpft, so dass das Pferd in der Anwesenheit des Menschen jede Menge offenkundige Anzeichen von Freude zeigt – wenn man sie zulässt und hinschaut. Und ist es nicht genau das, was wir uns eigentlich wünschen? Ein Pferd, dass sich mit uns wohlfühlt und die Zeit mit uns als etwas Lohnenswertes und Angenehmes verbindet.

Positive Verstärkung und Futterlob trägt somit zu einer guten Beziehung bei, weil in beiden Fällen die Wahl des bevorzugten und auch natürlichen Verstärkers berücksichtigt wird und so zu positiven Emotionen führt.