[singlepic id=1405 w=380 h=320 float=left]Ich bin nun schon eine ganze Weile als Trainerin unterwegs. Mein „Hauptfach“ ist nach wie vor die Arbeit am Boden, aber natürlich unterstütze ich auch beim Reiten.  Die Bodenarbeit eignet sich hervorragend dazu, Kommunikation und Partnerschaft aufzubauen und diese dann mit in den Sattel zu nehmen. So kommt es dann auch nicht selten vor, dass einstige Bodenarbeitsschüler mich darum bitten, sie auch beim Reiten zu unterstützen. Hier begegnet mir regelmäßig das Phänomen, dass ich am Boden ein sehr engagiertes Pferd-Mensch-Paar habe, was Spaß am Zusammensein und dem gemeinsamen Tun hat und man unter dem Sattel davon nicht mehr viel sieht. Ein unmotiviertes „Treiben“, im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei ist die Lösung doch eigentlich ganz einfach …

Ich muss gestehen, ab und an empfinde ich ein leichtes Unverständnis dafür und frage mich, warum das so ist? Denn eins ist doch klar, nur weil Mensch auf einmal auf dem Pferd sitzt, lernt das Pferd doch nicht anders!

Am Boden gibt sich der Mensch größte Mühe sein Pferd nicht unter Druck zu setzen und es ausreichend zu Belohnen. Gerade auch die (richtige!) Arbeit mit Futterlob kann ein Pferd sehr motivieren, insbesondere dann, wenn Mensch zuvor ohnehin nicht viel gelobt hat in der täglichen Arbeit.  Am Boden wird akribisch darauf geachtet, dass jede Übung sorgsam vorbereitet wird und der nächste Schritt wirklich erst dann gemacht wird, wenn das Pferd den vorherigen klar verstanden hat und umsetzen kann. Schritt für Schritt gelangt man so mit einem motivierten Pferd zur fertigen Lektion. Die Arbeit macht dem Pferd so nicht nur Spaß, sondern fällt ihm im Idealfall auch noch besonders leicht. Wenn es obendrein noch ab und an etwas Leckeres gibt, gibt es also keinen Grund für das Pferd, keinen Gefallen an der Bodenarbeit zu finden.

[singlepic id=1408 w=360 h=280 float=right]Wie ist es nun, wenn wir in den Sattel steigen? Nehmen wir mal den „Otto-Normal-Reiter“ als Beispiel oder werfen wir einfach mal einen Blick in die Reithalle. Selten hört man mal ein Lob, häufig wird schweigend geritten.  Ab und an wird die Stille durch ein Klopfen am Hals des Pferdes unterbrochen oder man hört das Zischen einer Gerte.  Unabhängig davon, dass ich nie verstehen werde, warum ein Pferd das Klopfen als etwas Gutes verstehen sollte, besteht die Grundtendenz der Reiterei häufig daraus zu warten, bis das Pferd einen Fehler macht und diesen dann zu korrigieren. Leider sind diese Korrekturen häufig nicht besonders effektiv. Denn um effektiv zu sein, sollte auch eine gut umgesetzte Korrektur besonders honoriert werden. Am Ende muss es sich für das Pferd immer mehr lohnen, es richtig zu machen, statt den gleichen Fehler noch einmal zu begehen.

Reiten funktioniert für die meisten von uns am besten über negative Verstärkung: auf eine gewisse Form von physischem Druck folgt eine Reaktion des Pferdes. Die Belohnung wäre dann das reduzieren oder im Idealfall gänzliche Wegnehmen des Drucks. Woher soll das Pferd sonst wissen, dass es etwas Richtiges getan hat? Wenn es ganz schlecht läuft, empfindet das das Laufen als das „geringere Übel“, weil nicht Laufen noch unangenehmere Konsequenzen hat. So benötigt man nach und nach im schlechtesten Fall immer mehr Druck um das Pferd zu bewegen. Ich muss eigentlich nicht erwähnen, dass die Motivation auf beiden Seiten hier gänzlich auf der Strecke bleibt.

Nicht selten ist es den Pferdebesitzern jedoch gar nicht bewusst, dass sie zu wenig Loben. Oder sie wissen schlicht nicht wie sie dies „von oben“ umsetzen sollen.  Dazu kommt, dass man häufig selbst schon mit dem eigenen Körper und dessen Koordination so gefordert ist, dass es einem schwer fällt, auch noch andere Dinge im Blick zu haben.

Das Problem ist also, ich wiederhole mich:  das Pferd lernt unter dem Reiter nicht anders, als am Boden. Der Vorteil und die Lösung: das Pferd lernt unter dem Reiter nicht anders, als am Boden 😉 Ihr müsst also nicht alles neu lernen, sondern könnt bedenkenlos die lerntheoretischen Grundlagen auch mit in den Sattel nehmen.

[singlepic id=1406 w=320 h=240 float=left]Dazu gehört vor allem, neue Lektionen oder neue Qualitäten schrittweise zu erarbeiten. Bereits den richtigen Gedanken und somit den richtigen Ansatz des Pferdes zu loben und auch erst dann einen Schritt weiter zu gehen oder mehr zu fordern, wenn das Pferd motiviert bei der Sache ist und die Aufgabe verstanden hat. Diese Vorgehensweise empfiehlt sich auch, wenn alte Lektionen verbessert werden sollen. Einfach noch einmal von vorne beginnen. Nichts, was das Pferd tut ist selbstverständlich! Eine Bemühung oder ein richtiges Verhalten gehört also grundsätzlich auch honoriert. Wie viel „Belohnung“ sein muss, hängt u. a. davon ab, wie gering die Motivation des Pferdes ist oder wie schwer dem Pferd die Bewältigung der Aufgabe fällt. Wenn dem Pferd das vorwärts gänzlich fehlt oder die Lektionen sehr schwer ist, macht es Sinn, eine richtige Reaktion deutlich und überschwänglich zu Loben und dem Pferd z. B. sofort eine Pause zu geben oder ggf. auch Futterbelohnung, wenn das Prinzip klar ist. Leider wird dies häufig als „unbequem“ angesehen, denn die Arbeit mit einem Markersignal, welches dem Pferd sagt „genau das, was du gerade getan hast war richtig, dafür wirst du belohnt“ und Futterlob führt natürlich im ersten Moment dazu, dass das Pferd stehen bleibt und eine Belohnung erhält. „Ich kann doch nicht jedes Mal Anhalten, wenn mein Pferd etwas gut gemacht hat, um es zu belohnen?“ höre ich dann häufig. Warum eigentlich nicht? Genau das ist es doch auch, was unsere Pferde am Boden so unglaublich motiviert hält. Geringe Anforderungen, kleine Schritte, effektive Belohnungen! Wie können wir erwarten, dass dies unter dem Sattel genau so ist, wenn wir uns nicht die Mühe machen, genauso auf unsere Pferde einzugehen?

In der Praxis kann es so aussehen, dass man sich meterweise vorantastet, wenn man einen Bewegungsablauf bestärken möchte. Zunächst wird die Bemühung bzw. der richtige Ansatz belohnt, dann ein Schritt, dann zwei, dann drei, dann eine Viertelrunde, dann eine halbe und so weiter.

[singlepic id=1407 w=320 h=240 float=right]Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz eines Verlaufslobs. Ein Verlaufslob oder auch „Keep Going Signal“ ist in Prinzip ein weiteres Markersignal, welches dem Pferd signalisiert „Du bist auf dem richtigen Weg, aber es reicht noch nicht für Futter/Pause“.  Anfangs sollten die eigentliche Belohnung und das Verlaufslob zeitlich nicht so weit auseinander liegen. Wenn das Pferd sich bemüht, gibt man ein Verlaufslob, daraufhin folgt in kurzem Abstand das eigentliche Markersignal in Verbindung mit Futter oder was man sonst als übliche Belohnung für eine gute Leistung anbringt. Mit der Zeit kann den zeitlichen Abstand dann erweitern, so dass ein Verlaufslob einen zusätzlichen Motivationsschub auslöst, weil man dem Pferd signalisiert „gib dir noch ein bisschen mehr Mühe, du bist auf dem richtigen Weg“. Das hört sich im ersten Moment zwar recht kompliziert an, ist, wenn man den Umgang mit einem Markersignal und Futter gewöhnt ist oder sich mit dem Thema Lernverhalten schon auseinander gesetzt hat, aber eigentlich nichts Neues. Im Gegenteil, Verlaufslob ist gar nicht so selten, die wenigsten sind sich jedoch darüber im Klaren, dass sie es nutzen. Ein anspornendes „Komm, komm, komm“ oder „voran“ oder „allez“, ist nichts anderes als ein Verlaufslob.  Wenn man sich dessen einmal bewusst ist, kann man es ganz gezielt einsetzen, mit Belohnung kombinieren und so noch deutlich effektiver werden.

Auch wenn sich nicht alles von heute auf morgen umsetzen lässt, sollte man sich dieser Tatsachen einmal bewusst werden und mehr Prinzipien der Arbeit am Boden auch in den Sattel übertragen. Schließlich soll das Reiten auch für das Pferd die gleiche Freude beinhalten wie die Arbeit am Boden.