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Affective Neuroscience ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich mit der neurologischen Grundlage von Emotionen beschäftigt. Der Begriff wurde maßgeblich durch den Neurowissenschaftler Jaak Panksepp geprägt.

Jaak Panksepp identifizierte sieben primäre emotionale Systeme, die tief im Gehirn von Säugetieren verankert sind und grundlegende Verhaltensweisen steuern. Diese Systeme sind evolutionär alt und bilden die Grundlage für Emotionen, Motivation und soziale Interaktionen.

  1. Seeking-System (Suchverhalten) – Das Explorations- und Belohnungssystem des Gehirns. Es wird durch Dopamin gesteuert und motiviert Tiere und Menschen, ihre Umwelt zu erkunden, nach Ressourcen zu suchen und neue Informationen aufzunehmen. Es sorgt dafür, dass die Suche nach Belohnung selbst als positiv erlebt wird.
  2. Rage-System (Wut) – Das Aggressionssystem, das aktiviert wird, wenn ein Tier oder Mensch in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird oder Frustration erlebt. Es dient dem Schutz, der Verteidigung und der Durchsetzung eigener Bedürfnisse.
  3. Fear-System (Angst) – Ein überlebenswichtiges System, das bei Bedrohung aktiviert wird. Es löst Flucht- oder Schutzreaktionen aus und hilft dabei, gefährliche Situationen zu vermeiden. Eine übermäßige Aktivierung kann zu chronischem Stress oder Angststörungen führen.
  4. Lust-System (Fortpflanzung) – Das Fortpflanzungssystem, das Paarungsverhalten und sexuelle Motivation steuert. Es spielt eine Rolle bei der Arterhaltung und dem Aufbau sozialer Bindungen zwischen Individuen.
  5. Care-System (Fürsorge) – Das Bindungssystem, das elterliche Fürsorge und soziale Verbundenheit reguliert. Es sorgt dafür, dass sich Eltern um ihren Nachwuchs kümmern und stärkt soziale Beziehungen durch Mitgefühl und Fürsorglichkeit.
  6. Panic/Grief-System (Trennungsangst) – Das System für soziale Bindung und Verlust. Es wird aktiviert, wenn Individuen von ihren Bezugspersonen oder ihrer Gruppe getrennt werden und löst Gefühle von Einsamkeit oder Stress aus. Dieses System erklärt, warum Isolation und soziale Trennung für viele Tiere und Menschen belastend sind.
  7. Play-System (Spielverhalten) – Das System für soziale Interaktion und Lernen durch spielerische Bewegungen. Es fördert Kreativität, kognitive Entwicklung und soziale Kompetenzen. Besonders junge Tiere nutzen es, um ihre motorischen Fähigkeiten zu trainieren und soziale Hierarchien zu erforschen.

Diese sieben emotionalen Systeme bilden die Grundlage für das Verhalten von Säugetieren und haben weitreichende Implikationen für die Verhaltensforschung, Psychologie und das Tiertraining.

Die Forschung in der Affective Neuroscience zeigt, dass Emotionen nicht nur subjektive Erfahrungen sind, sondern messbare neuronale Prozesse mit spezifischen Aktivierungsmustern im Gehirn. Diese Erkenntnisse haben weitreichende Implikationen für das Verständnis von Motivation, Lernverhalten und sozialer Interaktion bei Menschen und Tieren. In der Tierverhaltensforschung spielt das Modell eine bedeutende Rolle, da es erklärt, warum bestimmte Verhaltensweisen, wie exploratives Verhalten oder Spiel, intrinsisch belohnend sind und direkt durch neurobiologische Prozesse gesteuert werden.

Besonders im Tiertraining bietet die Affective Neuroscience eine wissenschaftliche Grundlage für den Einsatz positiver Verstärkung und die Gestaltung von Lernumgebungen, die auf natürlichen Bedürfnissen basieren. Konzepte wie Choice & Control, Contra-Freeloading oder Enrichment lassen sich mit den Erkenntnissen der Affective Neuroscience erklären, da sie das Seeking- und Play-System gezielt aktivieren und so zu nachhaltigem, stressfreiem Lernen beitragen.