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Das Prinzip von Annäherung und Rückzug ist eine Methode, bei der ein Tier schrittweise an einen Reiz oder eine neue Situation gewöhnt wird. Dabei wird der Reiz zunächst in einer geringen Intensität präsentiert, sodass das Tier ihn zwar wahrnimmt, aber noch entspannt bleibt. Bevor es eine Flucht- oder Abwehrreaktion zeigt, wird der Reiz wieder entfernt oder der Abstand vergrößert. Dieser Wechsel aus Annäherung und Rückzug ermöglicht es dem Tier, sich dem Reiz in seinem eigenen Tempo anzunähern und dabei positive Erfahrungen zu sammeln.

Diese Technik wird häufig im Horsemanship genutzt, um Pferde an potenziell beängstigende Gegenstände oder Berührungen zu gewöhnen. Ein Beispiel ist die Arbeit mit einer Plastikplane: Das Pferd wird nicht gezwungen, sofort an die Plane heranzutreten, sondern sie wird zunächst aus sicherer Entfernung präsentiert. Sobald das Pferd ruhig bleibt, wird die Plane kurz entfernt, bevor sie erneut und eventuell etwas näher gezeigt wird. Durch dieses Vorgehen kann das Pferd Vertrauen aufbauen und lernt, dass der Reiz keine Bedrohung darstellt.

In der Praxis wird dieses Prinzip jedoch oft falsch angewandt. Ein häufiger Fehler besteht darin, dass die Reizstärke zu hoch gewählt wird, sodass das Pferd sich nicht schrittweise annähern kann, sondern direkt mit Flucht- oder Abwehrverhalten reagiert. Beispielsweise könnte die Plastikplane dem Pferd zu schnell zu nah gebracht oder hektisch bewegt werden. Das Pferd fühlt sich überfordert, weicht aus oder zeigt Abwehrreaktionen wie Kopfschlagen oder Rückwärtsgehen.

Statt dem Pferd die Möglichkeit zu geben, sich durch Rückzug selbst zu regulieren, werden diese Reaktionen oft vom Menschen unterbunden – sei es durch festhalten, Druck oder energische Einwirkung. Dies führt dazu, dass das Pferd nicht lernt, sich entspannt mit dem Reiz auseinanderzusetzen, sondern nur, dass seine natürliche Reaktion nicht erlaubt ist. Äußerlich mag das Pferd ruhig erscheinen, aber es kann innerlich stark unter Stress stehen. In schlimmeren Fällen kann dies zur Erlernten Hilflosigkeit führen, bei der das Pferd nicht mehr aktiv auf Umweltreize reagiert, sondern sich in eine Art Resignation begibt.

Damit das Prinzip funktioniert, muss das Timing stimmen. Der Reiz darf das Pferd nicht in eine Stressreaktion treiben, sondern sollte so dosiert sein, dass es ihn wahrnehmen, aber noch entspannt bleiben kann. Erst wenn das Pferd gelassen bleibt oder neugieriges Verhalten zeigt, kann die Intensität schrittweise erhöht werden. Wichtig ist auch, dass das Pferd jederzeit die Möglichkeit hat, sich zurückzuziehen, anstatt gezwungen zu werden, in der Situation zu verharren.

Diese Methode ist besonders hilfreich für die Desensibilisierung gegenüber neuen oder beängstigenden Reizen. Wenn sie richtig angewandt wird, fördert sie Vertrauen und Selbstsicherheit, da das Pferd lernt, dass es sich in seinem eigenen Tempo annähern darf und dass es eine Wahl hat. Geduld, genaues Beobachten der Körpersprache und eine schrittweise, feine Annäherung ohne Druck sind entscheidend für den Erfolg dieser Technik.